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gegen den zeitgeist
Veröffentlicht: 24.07.2024
Kategorie: Jugend , Familie

Schwieriges Erwachsenwerden in Krisenzeiten

Rainer Maria Rilke ist einer der wichtigsten österreichischen Dichter. Wenn er sich eines Themas angenommen hat, dann hat er in der Regel etwas äußerst Bemerkenswertes und Innovatives dazu hervorgebracht. So auch zur Jugend. Für Rilke war die Jugend eine Passage, also ein Durchgangsstadium, der Übergang von der Lebensphase Kindheit ins Erwachsenenalter. Die Jugend hat Rilke also als Brücke aufgefasst, die in der Kindheit ihren Anfang nimmt und die im Verlauf des dritten Lebensjahrzehnts in der vollwertigen Erwachsenenrolle mündet. Diese Passage ist für Rilke aber ein heikler Übergang, weil den jungen Menschen, solange sie sie durchqueren, „das Frühere nicht mehr und noch nicht das Nächste gehört“. Die zentrale Entwicklungsaufgabe der Jugend besteht also darin, das sichere und geborgene Kindheitsdasein aufzugeben und möglichst zuversichtlich in das riskante Erwachsenendasein einzutreten, in dem man zwar selbständig Handeln darf, gleichzeitig aber für das eigene Tun vollumfänglich selbst verantwortlich ist. Dieses Experiment eines Neubeginns, bei dem die Brücke, über die man geht, hinter einem unwiederbringlich abgerissen wird, ist gerade in einer Zeit, die unbestreitbar eine Krisenzeit ist, eine besondere Herausforderung.

Unsicherheit, Orientierungslosigkeit und Konfusion

Seit Jahren folgt eine Krise auf die nächste und heute verlaufen einige der Krisen parallel. Krisen akkumulieren sich also und so ist die Gesellschaft gegenwärtig gleichzeitig mit der Klimakrise, der Migrationskrise, einer massiven Wirtschaftskrise und dem krisenhaften Stabilitätsverlust der internationalen Politik, der letztlich im Ukrainekrieg seinen Ausdruck gefunden hat, beschäftigt. Hinzu kommt, dass alte Selbstverständlichkeiten und Gewissheiten in Frage stehen, wie zum Beispiel das biologische Geschlecht als verlässliche Grundlage der Geschlechtsidentität. Was früher durch die Biologie unbestreitbar festgelegt wurde, ist heute zu einer kulturellen Angelegenheit und damit zu einer frei wählbaren persönlichen Sache geworden. Über sein Geschlecht kann heute der junge Mensch selbst entscheiden. Für die einen bedeutet das neue Freiheit, für andere Unsicherheit, Orientierungsprobleme und Verwirrung. Aber nicht nur das bisher Aufgezählte sorgt bei vielen Jugendlichen dafür, dass die Lebenspassage, in der sie sich befinden, nicht mehr wie früher als eine Zeit des fröhlichen Experimentierens erlebt, sondern als eine höchst unsichere, konfuse und beängstigende Lebenszeit wahrgenommen wird. 

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