In einem seiner Bücher stellt der slowenische Philosoph Slavoj Žižek den autoritären, ödipalen Vater dem „toleranten“, woken Vater gegenüber. Der autoritäre Vater gibt seinem Kind quasi den Befehl, die Großmutter zu besuchen. Er sagt: „Mir ist es egal, wie dir zumute ist, du musst deine Großmutter besuchen. Du musst gehen, du wirst gehen. Und benimm dich anständig.“ Im Gegensatz dazu der tolerante, woke Vater, der eine Mischung aus Hippie und Yuppie ist, also ein geschäftstüchtiger Karrierist, der im sündhaft teuren Knitterlook mit dem Lastenfahrrad durch die Gegend fährt und gleichzeitig das lockere und antiautoritäre Blumenkind heraushängen lässt. Er begegnet seinem Kind achtsam und verständnisvoll. Und so sagt er: „Du weißt ja, wie deine Großmutter dich liebt, aber natürlich solltest du sie nur dann besuchen, wenn du es wirklich willst.“
Im ersten Fall gibt ein strenger Vater einen klaren Befehl, der zu befolgen ist. Im zweiten Fall glauben wir, bei oberflächlicher Betrachtung, dass der Vater dem Kind die freie Entscheidung des Großmutterbesuchs überlässt. Aber das ist falsch. Denn untergründig gibt er einen noch strengeren und härteren Befehl. Tatsächlich sagt er: „Du sollst deine Großmutter nicht nur besuchen, du musst es auch gerne tun.“ Nach Žižeks Auffassung zeigt sich hier, dass eine scheinbar tolerante und achtsame Rhetorik einen noch stärkeren und vor allem noch repressiveren Befehl beinhalten kann. Denn im zweiten Fall wird sogar abverlangt, die auferlegte Pflicht mit einer positiven inneren Einstellung zu erfüllen. Die Autorität eines bürgerlichen Familienvaters kann also weniger repressiv sein als die der toleranten linksgrünen Bobo-Eltern.